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Amazonassynode

und der synodale Prozess der katholischen Kirche.

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Was ist so spektakulär an der Amazonassynode, dass sie zu einer exemplarischen Synode für die ganze Kirche werden könnte, obwohl es sich scheinbar nur um ein pastorales „Randgebiet“ handelt?

Ist es die Zölibatsfrage oder die ökologischen Problemstellungen, die im Arbeitspapier aufgenommen wurden?

Unserer Ansicht nach, ist dies die erste, von Rom initiierte Synode, die konsequent Glauben, kirchliche Strukturen und pastorales Handeln aus der Perspektive der Inkulturation des Evangeliums in die Kirche vor Ort, lokal bezogen und verankert in den Blick nimmt.

Das Arbeitspapier referiert konsequent auf die kulturelle Wirklichkeit des Amazonasgebietes unter seinen sozialen, politischen, ökonomischen, ökologischen und religiös-symbolischen Aspekten. Kultur wird hier in einem umfassenden kulturanthropologischen Sinne verstanden. D.h. das Dokument basiert auf einer umfassenden kulturanthropologischen Analyse der Wirklichkeit. Es erfasst hierdurch die gesamtmenschliche Perspektive in der sich Gottes Volk am Amazonas befindet.

Inkulturation bedeutet die Inkarnation des Evangeliums in die gesamtmenschliche Wirklichkeit einer Kultur. Durch das Wirken des Heiligen Geistes kann das göttliche Wort und seine Wirklichkeit Ausdruck und Gegenwart werden in der Kultur einer Gruppe, eines Volkes oder eines Kontinentes. Mehr noch, das göttliche Wort, wie uns die frühen Apologeten lehren, ist schon immer als formgebender Same gegenwärtig und wird unter dem Wirken der Gnade des Evangeliums zu seiner strukturellen Fülle gelangen. Eine Kultur ist in sich immer strukturiert und deswegen Ausdruck der göttlichen Vernunft, oder mit Justin von Rom, erfüllt vom Samen des göttlichen Wortes (Apol. II, 10, 1-8). Und wer seine Lebensform daran ausrichtet, lebt die Lebensform („Bios“) des göttlichen Wortes und lebt christlich (Apol I, 46,1-5). Da wo die Verkündigung des Evangeliums die kulturbestimmte gesamtmenschliche Wirklichkeit orts- und zeitbezogen, wahrhaft und ganzheitlich annimmt, kann darin auch die gnadenhafte Fülle des göttlichen Wortes lebendiger Ausdruck und Lebensform werden (Apol. II, 13,1-6). Um es mit den Worten von Papst Franziskus zu sagen: „Letztlich ist eine Verkündigung des Evangeliums anzustreben, welche eine neue Synthese des Evangeliums mit der Kultur, in der es mit deren Kategorien verkündet wird, hervorruft. Obwohl diese Prozesse immer langwierig sind, lähmt uns manchmal zu sehr die Angst. Wenn wir den Zweifeln und Befürchtungen erlauben, jeden Wagemut zu ersticken, kann es geschehen, dass wir, anstatt kreativ zu sein, einfach in unserer Bequemlichkeit verharren, ohne irgendeinen Fortschritt zu bewirken. Und in dem Fall werden wir nicht mit unserer Mitarbeit an historischen Prozessen teilhaben, sondern schlicht Beobachter einer sterilen Stagnation der Kirche sein.“ (Evangelii Gaudium, Nr. 129).

Eine neue Synthese von Evangelium und Kultur, eine wahrhafte Inkulturation in die eigene orts- und zeitbezogene Kultur, dieser Herausforderung stellt sich die Amazonas-Synode und vor dieser Herausforderung steht auch der synodale Prozess in Deutschland. Dies hat sehr weitreichende Konsequenzen: wenn sich das Evangelium und der gelebte Glaube wirklich in die strukturellen Vorgaben der deutschen und europäischen Kultur in ihren sozialen, ökonomischen, ökologischen und religiös-symbolischen Strukturen der Gegenwart inkarnieren soll und will, dann steht viel mehr zur Debatte als nur der Zölibat. Die Sozial- und Kulturwissenschaften sind die eigentlichen Verbündeten der theologischen Reflexion in einem solchen herausfordernden Wandlungsprozess.  Sie stellen die notwendige Analyse der gesamtmenschlichen Wirklichkeit bereit, auf die sich eine inkulturierte Verkündigung beziehen muss und einen Wandlungsprozess anstoßen kann. Es liegt dann vielleicht einfach auf der Hand, dass man in einer Gesellschaft gelebter Gleichberechtigung von Mann und Frau Frauen die Aufgabe amtlicher Verkündigung nicht einfach vorenthalten kann; dass in einer demokratisch-republikanisch bestimmten Kultur der Episkopat in seiner monarchischen Verfasstheit des 3. asd. n. Chr. seine Relevanz verloren hat und reformiert werden muss; dass in einer Welt kultureller Pluralität und politischer Gewaltenteilung, die Sackgasse des päpstlichen Jurisdiktionsprimats allmählich überwunden werden muss, um nur drei hervorstechende Punkte zu benennen.

Wie im Verlauf des 3. und 4. Jahrhunderts will uns Gottes Geist auch in unserer Zeit und Kultur tiefer die ganze Wahrheit des gelebten Evangeliums offenbaren (Joh 16,12-15), damit es zu einer neuen Synthese von Glaube und Kultur kommen kann. Nur Mut!

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