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MHG Studie

Stellungnahme der VKPF

Aktivitäten der VkPF

Die Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen (VkPF) hat es sich seit über 40 Jahren zum Ziel gesetzt dafür zu kämpfen, die im Kirchenrecht verankerte gesetzlicheVerpflichtung der unverheirateten Diakone, der Priester und der Bischöfe zur zölibatären Lebensform abzuschaffen. Dies tun wir, weil wir aus unserer eigenenErfahrung und durch den Dialog mit vielen Betroffenen welcher geschlechtlicherOrientierung auch immer, gelernt haben, dass gelebte Sexualität für weitaus den größten Teil dieser Menschen, von existentieller Bedeutung ist. Sex und Lust stehen dem priesterlichen Dienst nicht entgegen, ganz im Gegenteil, sie sindTeil einer erfüllten, dienenden und kreativen Spiritualität, weil sie dazu beitragen, die Liebesfähigkeit des Menschen zu entwickeln. Einer der großen spirituellen Meister unserer Zeit hat einmal gesagt: „Niemand kann heilig werden, der sich seiner Sexualität nicht voll bewusst ist.“  (P. Johannes Kopp; Mitbegründer der christlichen Zenbewegung). Theologisch spirituell gesprochen: Die Gnade, und auch die Gnade des Weihesakramentes, kann nur dort wahrhaft wirksam werden, wo der Mensch und der Priester seine eigene von Gott geschenkte sexuelle Lebenswirklichkeit voll umfänglich annimmt.

Die nun vorliegende Missbrauchsstudie hat in einem Punkt ein glasklares Ergebnis: Missbrauch ist im Wesentlichen das Resultat von unreifer Sexualität und hierarchisch-klerikalen Machtstrukturen. Wir möchten hier nur auf die erste Ursache eingehen, da das Problem der Machtstrukturen die Frage einer grundlegenden Verfassungsreform der katholischen Kirche berührt. Dies ist ein noch fundamentaleres Problem, auch unter theologischen und kirchenrechtlichen Gesichtspunkten.

Die Problematik der unreifen Sexualität bei Priesteramtskandidaten und Priestern im Dienst stellt deutlich heraus, dass der Zölibat ein Kulminationspunkt der sexualfeindlichen Grundhaltung der katholischen Kirche und einer realitätsfernen und damit, im Sinne der Tradition, völlig unklugen Sexualmoral ist. Wenn Klugheit sachbezogene Wahrnehmung und Beurteilung ist (Josef Pieper), so geht die Sexualmoral der Kirche an beidem völlig vorbei. Stattdessen sind Mechanismen der Unterdrückung und Verdrängung am Werk, deren Ergebnis in seiner teuflischen Spitze der monströse sexuelle Missbrauch Minderjähriger und Abhängiger ist. Mit sachbezogener Wahrnehmung und daraus folgender Beurteilung meinen wir das Ernstnehmen der Ergebnisse der Sexualwissenschaften, der Psychologie und der Soziologie zur Realität menschlicher Sexualität. Wann hat die kirchliche Lehre die Grundlagen menschlicher Sexualität, wie sie z.B. im Kinsey-Report deutlich werden, jemals ernsthaft wahrgenommen? Die geradezu fundamentalistische Beharrung des „Lehramtes“ auf Positionen einer Tradition, die der modernen Wissenschaft abhold ist, ist inzwischen nur noch skurril. Auf diese Weise kommen unheilige Allianzen wie die zwischen Papst Johannes Paul II. und dem Gründer der Legionäre Christi Marcial Maciel zustande, mit dem der Papst ganz offiziell sein 60jähriges Priesterjubiäum feierte, obwohl der Kurie die von Maciel begangenen Missbräuche an Kindern und Frauen bereits lange bekannt waren. Hierhin gehört z.B. auch der Fall McCarrick. Es setzt dem üblen Werk die Krönung auf, wenn man dann in diesem Kontext die Heiligsprechung Johannes Paul II. betrachtet.

Wir selbst, verheiratete katholische Priester und ihre Frauen, sind Opfer dieser infamen Haltung der katholischen Hierarchie und insbesondere der römischen Kurie, noch verstärkt unter Johannes Paul II. Ältere Mitglieder unserer Vereinigung haben es noch erlebt, wie sie im katholischen Milieu diskriminiert und beschimpft wurden, weil sie ihre Liebe nicht mehr geheim halten wollten und den Weg in ein offizielles gemeinschaftliches Leben als Paar und Familie gegangen sind. Wir wurden in diffamierender Weise als die „Abgefallenen“ bezeichnet, während in tausenden von Fällen, Missbrauch und heimliche Beziehungen heterosexueller und homosexueller Priester und Bischöfe von der kirchlichen Hierarchie gedeckt wurden. Als „Ausgestoßene“ hat man viele von uns vor das existentielle Aus gestellt und einen nicht wieder gut zu machenden moralischen, psychologischen und existentiellen Schaden angerichtet. Bei vielen hat man jahrelang gewartet eine Dispens im Sinne der Laisierung zu erteilen und uns damit den Weg zurück in einen kirchlichen Dienst unmöglich gemacht. Noch vor kurzem hat eine süddeutsche Diözese in der Gestalt ihres Personalchefs einem ausscheidenden Priester gesagt, die „Bäckereien suchten auch Aushilfen“. Obwohl er 25 Jahrelang als Lehrer tätig war, wurde ihm jedwede weitere Tätigkeit als Religionslehrer verweigert, noch ihm geholfen im Lehrerberuf in einer staatlichen Schule Anschluss zu finden. Welch eine menschenverachtende Haltung kommt hier zum Vorschein? Was glauben sich katholische Hierarchen erlauben zu können im Angesicht Jesu Christi und des Evangeliums?

Hochmut kommt vor dem Fall. Die hochmütige Verteidigung des Zölibatsgesetzes und einer rigiden Sexualmoral im Angesicht einer oftmals von Heuchelei geprägten Wirklichkeit, macht deutlich wie sehr dieses Sprichwort die derzeitige Situation der katholischen Hierarchie trifft. Wir sind der Meinung, dass es ein erster Schritt in Richtung Selbstwahrnehmung und Annahme der menschlichen Wirklichkeit wäre, wenn der Zölibat als Gesetz umgehend abgeschafft, bzw. in den deutschen Diözesen konkrete Schritte zu einer Abschaffung eingeleitet würden. Papst Franziskus hat die Bischöfe aufgefordert, mehr von der Ihnen eigenen Autorität Gebrauch zu machen.

Darum sollten ganz konkret einzelne Bischöfe, die Aufhebung der Zölibatsvorschrift für ihre Diözese beantragen oder wenn möglich sogar die gesamte Deutsche Bischofskonferenz.

Die Zeit drängt, denn dies wird erst ein erster, nicht mehr aufzuhaltender Schritt sein in Richtung eines grundlegenden Wandels der einer inkulturierten Form des Kircheseins in der westlichen Hemisphäre angemessen ist.

Im Namen aller Mitglieder, der Vorstand der VkPF

Dr. Hans-Jörg Witter

Johannes Kohnen

Edith und Waldemar Wolf

Ferdinand Birrewitz

Anhang
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